Das „Employee Handbook“, das ich an meinem ersten Arbeitstag in die Hand gedrückt bekam, enthält Informationen über Firmenrichtlinien, Verhaltensregeln, Benefits wie Krankenversicherung, Gehaltszahlungsmodalitäten (wie bereits erzählt) und Sicherheitsgrundsätze. Also mehr oder weniger alles, was man so wissen muss. Richtig nett gemacht. Ein Abschnitt allerdings hat bei mir große Verwunderung hervorgerufen, der „Dress Code“:
Monday through Thursday
Appropriate business casual – dresses, dress slacks or dress cropped pants, dress skorts, dress shirts or polo shirts (no blue jeans or denim of any kind). No shorts or sport Capri pants, halter, tank, or midriff tops, sport or logo t-shirts. Business casual footwear suitable for an office environment. No flip-flops, sliders, tennis shoes, slippers, open back crocs, or sandals that ore not appropriate for an office environment.
Fully enclosed footwear MUST be worn in all non-office areas of the facility.
Keine kurzen Hosen, keine Trägertshirts, keine Flip-Flops (des Amerikaners liebste Schuhe). OK, kein Problem. Seh ich völlig ein. Gepflegtes Aussehen würde ich von meinen Mitarbeitern auch erwarten. Aber keine Jeans von Montag bis Donnerstag. Wie bitte??? Irgendwo in meinem Hinterstübchen läuten ein paar Glocken. Déjà vu. Wo hatte ich das schonmal? Klar doch! In meiner WG in Paris! Freitags war mein ehemaliger Mitbewohner stets nicht mehr wieder zu erkennen. Statt geschniegelt in Anzug und Krawatte waren dann Cargohose und Holzfällerhemd angesagt. Schon damals fragte ich nach dem warum und bekam immer nur die läppische Antwort: Acune idée! Mais c’est génial! (Was so viel wie „Keine Ahnung, aber es ist großartig“ bedeutet…).
Zurück zu meinen Jeans. Die haben weder Löcher noch weiße Verwaschungen, sind von einer schönen dunkelblauen Farbe, also was soll der Stress? Und die Zeiten, als die Jeans als reine Arbeitshose angesehen wurde, sind auch schon lange vorbei. Gut, Geschmäcker sind verschieden, aber was spricht gegen die Kombination Jeans und Bluse/Hemd? Zudem hampel ich ja den halben Tag in der Produktion (für Arbeiter da gilt das alles übrigens nur bedingt…) rum, und die ist alles andere als sauber.
Es liegt in meiner Natur, Dinge, die mir auf den ersten Blick nicht besonders logisch erscheinen, erst einmal zu hinterfragen. Doch weder mein Chef, noch meine Kollegen konnten mir weiterhelfen. Nicht mal die Personalabteilung war in der Lage, mir eine einleuchtende Erklärung oder mehr Hintergrundinformationen zu liefern. Ich bekam immer nur die Antwort: but it’s great to wear jeans on Friday, isn’t it? Jooo, gaaaanz dolllll. Also weiter zu Wikipedia und Google. Doch diese Möchtegernerklärungen von wegen Auflockerung der Arbeitswelt, Einläuten des Wochenendes und Aloha-Friday in Hawai erläutern auch nicht gerade den Sinn dieses Unsinns.
Am letzten Arbeitstag der Woche ist es dann tatsächlich soweit. Die meisten kommen im Schlabblerlook daher. Also nicht casual chic mit schöner Jeanshose und Hemd sondern Samstagmorgen-ich-gehe-schnell-in-den-Supermarkt-und-es-ist-scheißegal-wie-ich-aussehe-Look. Was ist denn daran genial am Freitag wie „an Ghenkta“ (um es mit den Worten meines Vaters auszudrücken) rumzulaufen? Auch freitags gibt es Kundenbesuche, Lieferantenmeetings und sonstiges, für das ein einigermaßen gepflegt wirkendes Äußeres angebracht wäre. Naja, es gibt Dinge im Leben, die ich nie verstehen werde...
PS: Dank meiner vielen Fragen weiß inzwischen die halbe Firma wie ich zum Casual Friday stehe…